Definition

Was ist Gewalt in der Pflege?

Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter und ist manchmal nicht direkt erkennbar. Denn sie fängt nicht erst beim Schlagen an. Auch aggressives Verhalten, respektlose Kommunikation oder Drohungen sind Formen von Gewalt in der Pflege. Davon können pflegebedürftige und pflegende Menschen betroffen sein.

Was ist Gewalt in der Pflege?

Infografik: Gewalt in der Pflege

Was wir als Gewalt empfinden, hängt von gesellschaftlichen Normen, kulturellen und sozialen Einflüssen sowie unseren persönlichen Werten ab. Nur ein Teil von dem, was in der Pflege als Gewalt verstanden wird, ist rechtlich verboten.

Die Ursachen für Gewalt in der Pflege sind vielfältig. Nicht immer geschieht sie böswillig. Beispielsweise kann sie ein Krankheitssymptom oder die Folge von Unachtsamkeit sein. Oftmals findet Gewalt in der Pflege auch im Verborgenen statt. Aber es gibt Anzeichen, die auf Gewalt hindeuten können.

Die Forschung zu Art und Häufigkeit von Gewalt in der Pflege zeigt, dass es sich um ein nennenswertes Phänomen handelt. Fachleute gehen überdies von einer hohen Dunkelziffer aus. Zudem können die Folgen von Gewalt schwerwiegend sein und die körperliche und psychische Gesundheit langfristig schädigen.

Betroffene von Gewalt in der Pflege

Gewalt in der Pflege kommt in unterschiedlichen Konstellationen vor. Es können pflegebedürftige Menschen, pflegende Angehörige und professionell Pflegende betroffen sein.

Ältere pflegebedürftige Menschen sind aufgrund ihres Hilfebedarfs besonders verletzlich. Sie sind auf die Pflegenden angewiesen, können sich bei Problemen schlecht wehren oder sich nicht einmal äußern. Besonders gefährdet sind Menschen mit Demenz.

Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen

Die Weltgesundheits-Organisation WHO definiert Gewalt gegenüber älteren Menschen so: „Unter Gewalt gegen ältere Menschen versteht man eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird.“

Gewalt gegen ältere pflegebedürftige Menschen muss also nicht körperlich sein. Sie kann auch mit Worten, Gesten oder in anderer Weise geschehen. Zu den Formen von Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen gehören zum Beispiel Vernachlässigung, Demütigung, schlechte Pflege oder freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM). Auch der Eingriff in die Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen ist Gewalt. Dabei muss Gewalt nicht immer von einer Person ausgehen, sondern kann auch auf anderen Ebenen stattfinden. Denn Gewalt in der Pflege kann auch indirekt entstehen, zum Beispiel durch Strukturen in einer Pflegeeinrichtung.

Der Erklärfilm gibt einen kurzen Überblick darüber, was Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen ist:

Pflegebedürftige Menschen haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden. Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste tragen dafür eine besondere Verantwortung. Sie haben die Pflicht, pflegebedürftige Menschen vor Gefahren für Leib und Leben zu schützen (Garantenpflicht).

Gewalt zwischen pflegebedürftigen Menschen

In stationären Pflegeeinrichtungen kann Gewalt auch zwischen pflegebedürftigen Menschen stattfinden. Dies geschieht zum Beispiel in Form von aggressivem Verhalten, Ausgrenzung oder sexueller Belästigung.

Gewalt gegen Pflegende

Auch pflegende Angehörige und professionell Pflegende können von Gewalt betroffen sein, zum Beispiel durch körperliche Übergriffe und Gesten oder Worte, die als respektlos empfunden werden. Besonders bei der Pflege von Menschen mit geistigen Einschränkungen oder Verhaltens-Störungen kann das vorkommen.

Formen von Gewalt in der Pflege

Es gibt verschiedene Formen von Gewalt in der Pflege. In der Forschung wird vor allem zwischen körperlichen, psychischen und verbalen Formen unterschieden. Auch freiheitsentziehende Maßnahmen, Vernachlässigung, finanzieller oder sexueller Missbrauch werden dazugezählt.

Körperliche Gewalt

  • grob anfassen, schlagen, kratzen oder schütteln
  • unbequem hinsetzen oder hinlegen
  • unerlaubt oder häufig freiheitsentziehende Maßnahmen anwenden

Psychische Gewalt

  • unangemessen ansprechen: anschreien, schimpfen oder rügen
  • missachten oder ignorieren
  • demütigen oder beileidigen

Vernachlässigung

  • schlecht pflegen oder medizinisch versorgen
  • unzureichend im Alltag helfen
  • emotionale Bedürfnisse übergehen

Finanzielle Ausnutzung

  • unbefugt über persönliches Vermögen verfügen
  • zu Geldgeschenken überreden oder nötigen
  • Geld oder Wertgegenstände entwenden

Intime Übergriffe

  • Schamgefühle oder Intimsphäre verletzen
  • sexuelle Andeutungen machen
  • Intimkontakte verlangen oder erzwingen

QUELLEN
Görgen, T. (2017). Wissen über das Phänomen Gewalt in der Pflege. In Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) (Hrsg.), Gewaltprävention in der Pflege. ZQP-Report (S. 8-12). Berlin: ZQP. Link
Schnapp, P. (2016). Gewalt gegen Pflegebedürftige: Fakten und Hilfe. Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit. Link
Sethi, D., Wood, S., Mitis, F., Bellis, M., Penhale, B., Marmolejo, I. I., . . . Ulvestad Kärki, F. (2011). European report on preventing elder maltreatment. Copenhagen: World Health Organization. Link
Suhr, R. (2015). Pflege ohne Gewalt. Gesundheit und Gesellschaft, 18(7‐8), 20-26. Link

AKTUALISIERT
am 13. Mai 2020

AUTOREN
D. Sulmann, D. Väthjunker